Erfahrungsbericht: Programmierung 2

20140318135500 · Info · (post) · #bericht #fach (all)
By Sigurd Schacht

So nun komme ich auch endlich dazu einen Erfahrungsbericht zum Agilen Studieren des letzten Semesters zu schreiben.

Zusammen mit Detlef Stern wuchs zu Beginn des WS 2013 die Idee Vorlesungen nach dem „Agilen Studieren“ abzuhalten. Mein Beweggrund war vor allem das Fach Programmieren 2 (Java). Bisherige Erfahrungen mit diesem Fach zeigten, dass ein Großteil der Studenten sich nicht kontinuierlich mit dem Fach auseinandersetzen, sondern erst aktiv werden, wenn die Klausur vor der Tür steht. Das dieses Vorgehen zum erlernen einer Programmiersprache nicht zielführend ist, wurde zwar immer und immer wieder erwähnt, stoß aber weitestgehend auf taube Ohren. Man kann nun mal Programmieren nur dann lernen, wenn man eben selber programmiert und das am besten kontinuierlich.

Bisher hatte ich versucht die Studenten zu kontinuierlichen Programmieren dahingehend zu bewegen, indem ich Aufgaben mit Bonuspunkten vergeben habe. Im ersten Semester wurden die Übungsaufgaben von wenigen gemacht und von vielen kopiert. Erst der Einsatz von Plagiatsscanner führte dann dazu, dass das Kopieren zurückging. Ich habe dann aber leider durch einige Kanäle erfahren, dass in den nachfolgenden Semestern die Bonusaufgaben von anderen Studenten (aus höheren Semester) gelöst wurden.

Unterm Strich war damit klar, dass die Methode Übungsaufgaben mit Bonuspunkten zu vergeben nicht zielführend sein kann.

Die Überlegung ein Fach, in dem es vor allem davon abhängt, dass die Studenten selber aktiv werden und die Programmierthemen selber anwenden, agil durchzuführen und somit die Vorlesungstermine zur Vertiefung der Themen zu verwenden, weckte bei mir großes Interesse und natürlich auch gewisse Erwartungen:

Ich erwartete vor allem:

Ob die Erwartungen erfüllt wurden? Das lässt sich nur bedingt beurteilen. Ich glaube auch, dass man nach einem Semester kaum eine fundierte Aussage treffen kann. Ich möchte hier nun auf einige meiner Erwartungen eingehen:

1. Erwartung: Studenten finden Spaß an dem Fach

Meine These ist, wenn ich mich lang genug mit einem Thema beschäftige, baue ich genügend Wissen auf, so dass ich dieses Thema fundiert anwenden kann. Dinge die man gut kann, machen mehr Spaß als Dinge, die man nicht kann. Dementsprechend bin ich der Meinung mit genügend Ausdauer und Eigeninitiative kann jedes Thema einem Spaß machen.

Leider ist dies bei dem Thema Agiles Studieren in Prog nur bei wenigen Studenten/-innen zum Vorschein gekommen. Ich glaube, dass bis auf wenige Ausnahmen nur ein paar Studenten/-innen sich wirklich auf das Abenteuer Agiles Studieren eingelassen haben und somit bei vielen diese Freude für Dinge, die man dann gut kann, gar nicht erst aufkommen konnte. Weiter glaube ich, dass viele Studenten/-innen sich vor diesem Experiment „gedrückt“ haben. Eine kontinuierliche Anwendung von Agilen Studieren würde m. E. diese Ausweichtaktik massiv reduzieren und ich glaube immer noch daran, dass dann auch Fächer wie Prog für die große Masse der Studenten spaß machen kann.

2. Erwartung: In den Vorlesungen werden intensivere Diskussionen geführt und die Studenten fragen nach den Themen, in denen sie sich noch nicht stark fühlen.

Bezogen auf die erste Anwendung der Methode war dies sicher die Erwartung, die in der Realität am wenigsten bestätigt wurde. Zwar gab es wenige Studenten/-innen, die jede Veranstaltung genutzt haben sich erstens den Stoff erklären zu lassen und zweitens vertiefende Fragen zu stellen, aber im großen und ganzen war die Teilnahme der Studenten/-innen sehr ernüchternd. Vielmals war der Ruf zu hören, dass die Studenten/-innen viel lieber eine klassische Vorlesung hätten, da hier der Stoff aufbereitet vorgetragen wurde. Aus meiner Sicht nicht nachvollziehbar, da wenn von den Studenten/-innen die Themen pro Woche – wie es dann auch einige gemacht haben – eingefordert wurden, wurden diese ja in einem ähnlichen Stil vorgetragen, wie bei klassischen Frontalunterricht. Ernüchternd war aber, dass die meisten Studenten Agiles Studieren mit „jetzt muss ich nicht mehr zu den Vorlesungsterminen“ gleichgesetzt haben.

Trotz dieser ersten Erfahrung bin ich immer noch von dem Konzept überzeugt. Auf der einen Seite zwingt es Studenten/-innen viel mehr in das eigenverantwortliche Lernen und auf der anderen Seite holt es auch die Dozenten aus der Bequemlichkeitsfalle, da jede Vorlesung eine adhoc Neukonzeption erfordert (Agil eben), da der Dozent ja nicht wissen kann, was heute eingefordert wird.

3. Erwartung: Weniger Anmeldungen – Bessere Noten.

Mir war während der gesamten Zeit wichtig, dass dieses Experiment mittels vergleichbaren Ergebnissen bewertet werden kann. Da Prog ein Fach ist, das als Hürde für das Studium angesehen wird, war mir wichtig, dass durch Agiles Studieren die Bestehensquote steigt. Leider konnte ich dieses Semester keine positive oder negative Evaluation hierzu ablegen. Dies lag daran, dass Prog2 mit dem Fach Web Engineering verrechnet werden kann. Dieses Semester ist diese Klausur aber sehr gut ausgefallen und die Noten waren den Studenten bekannt, bevor die Klausur Prog2 geschrieben wurde. Dementsprechend haben einige Studenten den Weg des geringsten Drucks gewählt und entweder die Klausur nicht besucht oder nicht Ihre volle Leistung abgegeben. (Dies zeigte sich in zur Hälfte bearbeiteten Klausuren u.a.)

Dementsprechend ist eine vergleichende Beurteilung im Moment für dieses Fach nicht möglich. Positiv sind einige Studenten aufgefallen, die sowohl aktiv agil studierten und deren Ergebnisse sehr gut ausgefallen sind.

Soviel zu meinen ersten Erfahrungen. Ich bin gespannt wie sich diese Methode dieses Semester in einem anderen Fach schlägt. Ich hoffe die Teilnehmer dieses Kurses trauen sich, sich mehr auf diese Methode einzulassen.