Die Idee

Foto: Das kleine Agile-Buch

Eines schönen Tages las ich an einem Samstagnachmittag im Juni ein interessantes kleines Büchlein: „Das kleine Agile-Buch“ von Sander Hoogendoorn. In dem Buch geht um die Anwendung von agilen Methoden, nicht nur für Softwareentwicklungsprojekte.

Was sind agile Methoden? Da gehen die Definitionsversuche auseinander. Das Manifest für agile Softwareentwicklung spricht von einer Bevorzugung von Individuen und Interaktionen gegenüber Prozessen und Werkzeugen. Andere definieren es als eine Kombination von inkrementeller Entwicklung, Lernen und unmittelbarer Kommunikation.

Agile Methoden können für viele Bereiche eingesetzt werden, nicht nur für die Entwicklung von Software. Auf openPM wird zum Beispiel beschrieben, wie man das Familienleben mit agilen Methoden vereinfachen kann. Dotmocracy ist ein Versuch, mit agilen Methoden die Entscheidungen in großen Gruppen u.a. zur politischen Beteiligung durchzuführen.

Ich hatte nicht nur eduScrum im Hinterkopf, als ich twitterte1: „Was wäre, wenn man Vorlesungen mit Hilfe von Scrum organisieren würde“. Scrum ist eine der häufiger verwendeten agilen Methoden. Es entspann sich ein kleiner Dialog mit einem meiner Kollegen.

Tweets zum Start

Wir beide waren uns bei dem Mittagessen schnell einig, dass die üblichen „seminaristischen Vorlesungen“ für einige unser Fächer nicht adäquat sind. Im Gegenteil, wir hatten (und haben) das Gefühl, dass mit solchen Lehrformen nur relativ wenige Studierende erreicht werden. Von 45 Teilnehmern an einer solchen Vorlesung beteiligen sich vielleicht 5 Studierende intensiver. Der Rest hört entweder mehr oder minder aufmerksam zu oder nutzt den Zugang zum Internet für eigene Zwecke. Es soll sogar Studierende geben, die nur deshalb in die Hochschule kommen, um bei den eigenen Verwandten nicht als faul dazustehen.

Umgekehrt nehmen wir für uns nicht in Anspruch, die Vorlesungen optimal auf die Bedürfnisse für die Teilnehmer zuschneiden zu können. In vielen Fällen sind uns die Teilnehmer erst nach einigen Wochen etwas bekannter. In den bisherigen Jahren meiner Lehrtätigkeit habe ich immer wieder mit einzelnen Techniken experimentiert. Mal „funktionierte“ eine Technik in einem Semester für eine Vorlesung, im nächsten Semester wiederum nicht.

Die Qualität einer Lehrveranstaltung, definiert über das Lernen der Studierenden, ist abhängig von den Lehrenden und den Lernenden.

In diesem Sinne fragten wir uns, warum die Studierenden nicht selbst über ihren eigenen Lernfortschritt entscheiden sollten. In einer Vorlesung entscheidet der Lehrende mit Hilfe seiner Erfahrung und der (teilweise spärlichen) Rückmeldung der Studierenden über den Lernfortschritt.

Das individuelle Begleiten eines Studierenden beim Lernen ist für uns nicht möglich, wohl aber das Begleiten einer Gruppe von 5 bis 8 Studierenden. Für viele Lernende ist das Arbeiten in einer Gruppe von Gleichgesinnten einfacher als das einsame Lernen.

Die Idee nahm konkrete Formen an:

Damit wandelt sich unsere Rolle von der eines „vorlesenden Edutainers“ in die eines Themenstrukturgebers und Lernbegleiters.

Diese Idee stellten wir unseren Kollegen im Studiengang vor. Alle waren interessiert, hatten aber schon teilweise eigene Planungen für das nächste Semester. Ein Kollege wollte (und konnte) das Konzept gleich mit ausprobieren.

Im Wintersemester 2013/14 begannen wir die Idee in den doch relativ unterschiedlichen Veranstaltungen „Statistik“, „Programmierung 2“ und „Projektmanagement 1“ umzusetzen.


  1. Update 2023-11-22: der Tweet wurde inzwischen vom Betreiber der nun mit X benannten Plattform gelöscht ↩︎