(zettel (meta (author "Sigurd Schacht") (box-number "1") (created "20140318135536") (modified "20231122164427") (published "20231122164427") (role "post") (syntax "zmk") (tags "#bericht #fach") (title "Erfahrungsbericht: Programmierung 2") (visibility "public")) (rights 4) (encoding "") (content "So nun komme ich auch endlich dazu einen Erfahrungsbericht zum Agilen Studieren des letzten Semesters zu schreiben.\n\nZusammen mit Detlef Stern wuchs zu Beginn des WS 2013 die Idee Vorlesungen nach dem „Agilen Studieren“ abzuhalten.\nMein Beweggrund war vor allem das Fach Programmieren 2 (Java).\nBisherige Erfahrungen mit diesem Fach zeigten, dass ein Großteil der Studenten sich nicht kontinuierlich mit dem Fach auseinandersetzen, sondern erst aktiv werden, wenn die Klausur vor der Tür steht.\nDas dieses Vorgehen zum erlernen einer Programmiersprache nicht zielführend ist, wurde zwar immer und immer wieder erwähnt, stoß aber weitestgehend auf taube Ohren.\nMan kann nun mal Programmieren nur dann lernen, wenn man eben selber programmiert und das am besten kontinuierlich.\n\nBisher hatte ich versucht die Studenten zu kontinuierlichen Programmieren dahingehend zu bewegen, indem ich Aufgaben mit Bonuspunkten vergeben habe.\nIm ersten Semester wurden die Übungsaufgaben von wenigen gemacht und von vielen kopiert.\nErst der Einsatz von Plagiatsscanner führte dann dazu, dass das Kopieren zurückging.\nIch habe dann aber leider durch einige Kanäle erfahren, dass in den nachfolgenden Semestern die Bonusaufgaben von anderen Studenten (aus höheren Semester) gelöst wurden.\n\nUnterm Strich war damit klar, dass die Methode Übungsaufgaben mit Bonuspunkten zu vergeben nicht zielführend sein kann.\n\nDie Überlegung ein Fach, in dem es vor allem davon abhängt, dass die Studenten selber aktiv werden und die Programmierthemen selber anwenden, agil durchzuführen und somit die Vorlesungstermine zur Vertiefung der Themen zu verwenden, weckte bei mir großes Interesse und natürlich auch gewisse Erwartungen:\n\nIch erwartete vor allem:\n* Studenten finden Spaß an der logischen und analytischen Tätigkeit „Programmieren“.\n* In den Vorlesungsslots fragen die Studenten vor allem die Themen nach, in denen Sie noch Hilfe brauchen.\n* Mangels vorhandener vordefinierter Folien, sinkt das Bulimie-Lernen vor der Klausur.\n* Studenten werden in unterschiedlichen Geschwindigkeiten lernen bzw. die Lernthemen abarbeiten.\n* Ich als Dozenten werde eine wesentlich höhere Betreuungsquote im Semester für das Fach aufbringen müssen, als bei dem klassischen Frontalunterricht.\n* Tutorische Veranstaltungen sind nur bedingt nötig. (Da diese bisher eh nur von den Studenten besucht wurden, die es eigentlich nicht unbedingt nötig hätten.)\n* Klausuranmeldungen werden zurückgehen, aber gleichzeitig werden die Ergebnisse der Klausur wesentlich besser werden als zuvor.\nOb die Erwartungen erfüllt wurden?\nDas lässt sich nur bedingt beurteilen.\nIch glaube auch, dass man nach einem Semester kaum eine fundierte Aussage treffen kann.\nIch möchte hier nun auf einige meiner Erwartungen eingehen:\n\n1. Erwartung: Studenten finden Spaß an dem Fach\n\nMeine These ist, wenn ich mich lang genug mit einem Thema beschäftige, baue ich genügend Wissen auf, so dass ich dieses Thema fundiert anwenden kann.\nDinge die man gut kann, machen mehr Spaß als Dinge, die man nicht kann.\nDementsprechend bin ich der Meinung mit genügend Ausdauer und Eigeninitiative kann jedes Thema einem Spaß machen.\n\nLeider ist dies bei dem Thema Agiles Studieren in Prog nur bei wenigen Studenten/-innen zum Vorschein gekommen.\nIch glaube, dass bis auf wenige Ausnahmen nur ein paar Studenten/-innen sich wirklich auf das Abenteuer Agiles Studieren eingelassen haben und somit bei vielen diese Freude für Dinge, die man dann gut kann, gar nicht erst aufkommen konnte.\nWeiter glaube ich, dass viele Studenten/-innen sich vor diesem Experiment „gedrückt“ haben.\nEine kontinuierliche Anwendung von Agilen Studieren würde m. E. diese Ausweichtaktik massiv reduzieren und ich glaube immer noch daran, dass dann auch Fächer wie Prog für die große Masse der Studenten spaß machen kann.\n\n2. Erwartung: In den Vorlesungen werden intensivere Diskussionen geführt und die Studenten fragen nach den Themen, in denen sie sich noch nicht stark fühlen.\n\nBezogen auf die erste Anwendung der Methode war dies sicher die Erwartung, die in der Realität am wenigsten bestätigt wurde.\nZwar gab es wenige Studenten/-innen, die jede Veranstaltung genutzt haben sich erstens den Stoff erklären zu lassen und zweitens vertiefende Fragen zu stellen, aber im großen und ganzen war die Teilnahme der Studenten/-innen sehr ernüchternd.\nVielmals war der Ruf zu hören, dass die Studenten/-innen viel lieber eine klassische Vorlesung hätten, da hier der Stoff aufbereitet vorgetragen wurde.\nAus meiner Sicht nicht nachvollziehbar, da wenn von den Studenten/-innen die Themen pro Woche – wie es dann auch einige gemacht haben – eingefordert wurden, wurden diese ja in einem ähnlichen Stil vorgetragen, wie bei klassischen Frontalunterricht.\nErnüchternd war aber, dass die meisten Studenten Agiles Studieren mit „jetzt muss ich nicht mehr zu den Vorlesungsterminen“ gleichgesetzt haben.\n\nTrotz dieser ersten Erfahrung bin ich immer noch von dem Konzept überzeugt.\nAuf der einen Seite zwingt es Studenten/-innen viel mehr in das eigenverantwortliche Lernen und auf der anderen Seite holt es auch die Dozenten aus der Bequemlichkeitsfalle, da jede Vorlesung eine adhoc Neukonzeption erfordert (Agil eben), da der Dozent ja nicht wissen kann, was heute eingefordert wird.\n\n3. Erwartung: Weniger Anmeldungen – Bessere Noten.\n\nMir war während der gesamten Zeit wichtig, dass dieses Experiment mittels vergleichbaren Ergebnissen bewertet werden kann.\nDa Prog ein Fach ist, das als Hürde für das Studium angesehen wird, war mir wichtig, dass durch Agiles Studieren die Bestehensquote steigt.\nLeider konnte ich dieses Semester keine positive oder negative Evaluation hierzu ablegen.\nDies lag daran, dass Prog2 mit dem Fach Web Engineering verrechnet werden kann.\nDieses Semester ist diese Klausur aber sehr gut ausgefallen und die Noten waren den Studenten bekannt, bevor die Klausur Prog2 geschrieben wurde.\nDementsprechend haben einige Studenten den Weg des geringsten Drucks gewählt und entweder die Klausur nicht besucht oder nicht Ihre volle Leistung abgegeben.\n(Dies zeigte sich in zur Hälfte bearbeiteten Klausuren u.a.)\n\nDementsprechend ist eine vergleichende Beurteilung im Moment für dieses Fach nicht möglich.\nPositiv sind einige Studenten aufgefallen, die sowohl aktiv agil studierten und deren Ergebnisse sehr gut ausgefallen sind.\n\nSoviel zu meinen ersten Erfahrungen.\nIch bin gespannt wie sich diese Methode dieses Semester in einem anderen Fach schlägt.\nIch hoffe die Teilnehmer dieses Kurses trauen sich, sich mehr auf diese Methode einzulassen."))