Retrospektive Wintersemester 2023/4

In diesem Semester gab es, im Gegensatz zu beiden früheren Semestern keine parallele Veranstaltung. Hauptgrund war die erwartete geringere Teilnehmerzahl von „nur“ 80–90 Studierenden. Tatsächlich meldeten sich im Laufe der ersten Wochen 93 Studierende beim Agilen Studieren an.

Insgesamt 10 Gruppen habe ich eingerichtet, wieder auf Basis der Erfahrungen früherer Semester. Wer im zweiten Fachsemester war, kam in etwas kleinere Gruppen. Wer schon einmal teilgenommen hatte oder sich aus anderen Gründen im Studium mehr Zeit gelassen hatte, kam in etwas größere Gruppen. Und ja, das zweite Fachsemester hatte sich entschieden, unter sich zu bleiben.

Wer am ersten Präsenztermin pünktlich teilnahm, entschied dass die Regelung zu den Zusatzpunkten wieder gelten solle. Wieder gab es 15 Zusatzpunkte, jeweils drei Zusatzpunkte für fünf Themen. Wieder ergab sich damit als Voraussetzung zur Teilnahme an der Klausur, bei mindestens drei Themen mindestens einen Zusatzpunkt zu erwerben. Wieder habe ich eine Open-Book-Klausur angekündigt. Soweit so Routine.

Arbeiten im Semester

Während des Semesters gab es einen harten Kern an Studierenden, die sich keine Veranstaltung entgehen ließen. Diese erfüllten sich recht aktiv ihre Lernbedürfnisse, indem sie zum Beispiel die Impulsvorstellungen der Wissensgebiete des Projektmanagements anforderten. De facto sind dieses Kurzvorlesungen meiner früheren Foliensätze. Auch wurde von diesen Studierenden Fragen zu ihren Lösungsvorschlägen und meinen Bewertungen gestellt. So soll es sein.

Ein anderer, etwa gleichgroßer Anteil glänzte durch Abwesenheit. Diese Studierenden bearbeiteten ihre Themen, erstellten Lösungsvorschläge und wunderten sich über meine Bewertungen. Manchmal kamen diese doch in den Präsenztermin und stellten Fragen. Häufiger gab es innerhalb der Gruppen Probleme, nicht nur Abstimmungsprobleme. Projektmanagement live. So erfuhren diese Studierenden eher reaktiv praktisch, was es mit diesem „Projektmanagement“ auf sich hatte.

Der Cyberanfall vom vergangenen Jahr 2021 (!) ist in seinen Auswirkungen noch immer nicht vollständig behoben. Die Software für das Agile Studieren war als nur über einen speziellen VPN-Client zugreifbar. Das haben alle Beteiligten vernünftig hinbekommen. Wäre ja auch seltsam, wenn Studierende der Wirtschaftsinformatik nicht mit IT-Systeme klarkommen, oder?

Seit einigen Jahren beobachte ich, dass der letzte Präsenztermin vor der Klausurprüfung nicht mehr besser besucht ist als andere Termine. Früher™ verglich ich den verstärkten Besuch gerne mit der Präsenz von Menschen in den Kirchen zu Heiligabend. Wohl im Zuge der verstärkten Säkularisierung kamen auch in den letzten Präsenztermin nicht mehr Studierenden als in den Wochen vorher. Auch obwohl ich angekündigt hatte, Fragen nur während dieses Präsenztermin zu beantworten. Dann wäre auch der Zeitpunkt, zu dem strittige Zusatzpunkte geklärt werden können. Nun gut, wer nicht will, der hat schon.

Vielleicht lag es auch daran, das in diesem Semester wesentlich mehr Zusatzpunkte als früher erworben wurden.

Klausur

Die Klausur selbst war meines Erachtens weder leicht noch schwer. In der ersten Aufgabe sollten die Studierenden erläutern, was sie jenseits der Klausuraufgaben gelernt hatten. Bewertet wurde das auf Basis des Modells von Bloom. Recht viele gaben eine leere Seite ab. „Das kann ja was werden,“ dachte ich mir, als ich die erste Aufgabe aller Klausuren bewertete.

Weiter ging es mit der zweiten Aufgabe. Es war ein Projektstrukturplan zu erstellen. Das hätte im Rahmen des Agilen Studierens geübt werden können. „Puh,“ war mein Gedanke beim Bewerten dieser Aufgabe.

Aber dann wurde es besser. Zum Beispiel sollten Schätzverfahren charakterisiert werden, Zusammenhänge zwischen Qualitätsmanagement auf der einen Seite und Termin-, Kosten- und Kommunikationsmanagement auf der anderen Seite hergestellt werden. Und zum guten Schluss gab es nach gutem Brauch die seit 'zig Semestern immer wieder vorkommende Aufgabe zur vollständigen Formulierung von Risiken aus einem bestimmten Bereich. Diese Aufgabe wurde wieder etwas schwächer bearbeitet, aber immerhin besser als in früheren Semestern.

Was ist rausgekommen?

Ja, die klassische Frage.

75 Studierende haben sich für die Prüfung angemeldet. Erschienen sind 65 Studierende. Eine Person hat sich selbst mittels eines Täuschungsversuchs die Note 5,0 gegeben. Von der übrigen 64 Studierenden haben 57 Studierende bestanden. Das entspricht einer Bestehensquote von knapp 90 %.

Ist das jetzt gut?

Für manche ja. Vor einiger Zeit sagte mir ein Student: „Die Note 4,0 bedeutet, dass man bestanden hat. Bestehen ist gut. Also ist die 4,0 eigentlich eine 2,0.“

Der Durchschnitt der Noten liegt knapp unter einer 3,0. Ist das gut? Geht so. Viele haben nur auf Grund der Zusatzpunkte bestanden. Was das eigentlich bedeutet, ist mir nicht ganz klar. Prüfungsangst? Fleiß statt Leistung? Ich weiß es nicht. Immerhin gab es auch jemanden mit der Note 1,0. Diese Person hätte auch ohne Zusatzpunkte eine recht gute Note bekommen. Das lässt hoffen.

Lektion

Die Idee mit den Zusatzpunkten hat sich wieder bewährt. Bleibt also für die Zukunft.

Zu viele haben immer noch Probleme mit, aus meiner Sicht, einfachen Transferaufgaben. Wurde in früheren Bildungseinrichtungen noch zu sehr das Auswendiglernen betont? Spätestens Hochschule bedeutet: selber denken. Weiter beobachten.

Ausblick

Im kommenden Semester werde ich das Fach nicht lehren. Zu viele Überstunden, die ich auch mal abbauen sollte. Statt mir wird Heinrich Kümmerle das Fach als Lehrbeauftragter übernehmen. Vielen Dank, Heinrich.

Er freut sich auf die Herausforderung, auch was die Anzahl der prognostizierten Anzahl an Studierenden betrifft. Dafür trinken wir Dienstags vorher gerne einen Kaffee zusammen.

Die Lektionen nehme ich also ins kommende Wintersemester 2024/5 mit, sofern die Pläne so bleiben, wie sie sind.