Studienthema
In der Idee zum agilen Studieren hatte ich angedeutet, dass der gesamte Stoff in Studienthemen aufgeteilt wird. Was ist denn so ein Studienthema genau, wie groß ist es, wie wird es formuliert?
Menschen mit Erfahrung in agilen Vorgehensmodellen werden sicher ahnen, was ein Studienthema ist: eine User Story, abgewandelt für zu lernende Inhalte.
In der Softwareentwicklung sind User Stories eine Möglichkeit, um Anforderungen aus Sicht des Anwenders kurz aber präzise zu beschreiben. Die Zusammenfassung einer User Story erfolgt mit Hilfe einer Satzschablone:
Als <ROLLE> will ich <ZIEL>, um <NUTZEN>.
Dabei ist <ROLLE>
die Rolle des jeweiligen Anwenders, <ZIEL>
der Wunsch oder das Ziel dieses Anwenders und <NUTZEN>
eine Begründung für diesen Wunsch. Zum Beispiel:
Als Autor will ich weitere Autoren eintragen, um nicht alles alleine schreiben zu müssen.
Zu einer User Story müssen darüber hinaus Kriterien aus Sicht des Anwenders angegeben werden, nach denen bestimmt wird, ob die User Story vollständig umgesetzt wird (Akzeptanzkriterien). In einer allgemeinen Beschreibung einer User Story werden ggf. weitere Details angegeben, z.B. Prioritäten, Zeitverhalten, Designvorschläge. Manchmal wird der Nutzen nicht in der Zusammenfassung definiert, sondern erst in der Beschreibung.
Auf Basis dieser Informationen lässt sich das Schema für ein Studienthema ableiten: es gibt eine Zusammenfassung auf Basis einer Satzschablone, Kriterien, wann das Thema als bearbeitet gelten kann und eine Beschreibung mit zusätzlichen Informationen.
Das Satzschema für ein Studienthema ist etwas komplizierter. Die Rollenangabe kann entfallen, es lernt der Studierende, daher wird immer ein „Ich“ angegeben. Zur Angabe des Ziels greifen wir aus Vereinfachungsgründen auf die Einordnung von kognitiven Lernzielen nach Bloom zurück. Jedes Lernziel, das wir zugleich als Ziel eines Studienthemas auffassen, kann einer von sechs Kategorien zugeordnet werden. Die Kategorien bauen aufeinander auf. Jeder Kategorie sind Verben zugeordnet, die das Studienthema charakterisieren:
- Wissen: benennen, definieren, zeichnen, …
- Verstehen: begründen, erklären, erläutern, …
- Anwenden: auswählen, modellieren, ändern, …
- Analysieren: klassifizieren, unterscheiden, unterteilen, …
- Zusammenfügen: formulieren, implementieren, konstruieren, …
- Bewerten: beurteilen, in Beziehung setzen, zusammenfassen, …
Die Zuordnung der Verben zu den Kategorien ist nicht trennscharf, aber es ist meistens aus dem Zusammenhang klar, was gemeint ist. Natürlich gibt es ein Studienthema auf einer Meta-Ebene:
Ich verstehe die Bedeutung der Verben zum Thema "Studieren".
Als Akzeptanzkriterien geben wir meist Tätigkeiten an, welche die Studierenden durchführen und dokumentieren sollen. Die Beschreibung enthält Verweise auf Quellen, die von den Studierenden studiert (!) werden sollen. Das können auch Verweise auf unsere früheren Präsentationsunterlagen sein.
Studienthemen können darüber hinaus gruppiert werden, damit die Studierenden bei der Auswahl der Themen eine orientierende Struktur vorfinden. Bei den Themen zur Veranstaltung „Projektmanagement 1“ nutze ich z.B. eine Gruppierung auf Basis der neun Wissensgebiete nach PMI.
Eine Dokumentation eines Studienthemas sieht dann so aus:
Ich kann den Prozess der integrierten Änderungssteuerung erläutern.
Kategorie: Integrationsmanagement
Quelle: Präsentation PM1-01, Seite 35-39
Erläutern Sie den Prozess mit eigenen Worten auf der Wiki-Seite "ÄnderungsSteuerung".
Es bleibt der Studiengruppe freigestellt, ob jedes Gruppenmitglied das Thema für sich bearbeitet, oder ob ein Mitglied das Thema bearbeitet und es anschließend den anderen Gruppenmitgliedern vorstellt.
Der Umfang eines Studienthemas variiert relativ stark. Für die Fächen „Programmierung 2“ und „Statistik“, beides Fächer mit fünf Credit-Points nach ECTS (entspricht 150 Stunden pro Semester), haben meine Kollegen etwas mehr als 50 Studienthemen formuliert. Einige davon sind optional. In „Projektmanagement 1“ habe ich dagegen etwas mehr als 100 Studienthemen angegeben, und das bei zwei Credit-Points (entspricht 60 Stunden pro Semester).
Diese Unterschiede spiegeln m.E. die fachlichen Anforderungen wieder. „Programmierung 2“ und „Statistik“ orientieren sich eher an den letzteren Kategorien der Taxonomie von Bloom. Selbst wenn ein Studierender z.B. die diversen Befehle einer Programmiersprache kennt, kann sie/er noch lange nicht selbst Programme erstellen. Dadurch ist für einen Anfänger das Erstellen einfacher Programme eher zeitaufwendig. Das Fach „Projektmanagement 1“ soll dagegen den Studierenden einen Überblick über die zahlreichen Facetten des Projektmanagements geben. Für jede, aus meiner Sicht, relevante Facette habe ich ein Studienthema formuliert.