Bericht zur ersten Förderung
Vorbemerkung
Teil der Förderung durch die Studienkommission für Hochschuldidaktik ist die Abgabe eines Bericht auf der Plattform LehrForum.de. Da die Inhalte dort ohne Anmeldung nicht einsehbar sind, veröffentlichen wir den Bericht parallel hier. Aus Gründen wurde der Text leicht ediert.
Projektziele
Unter "Agiles Studieren" verstehen wir eine Veranstaltungform, die das eigenverantwortliche Lernen fördern soll. Zentrale Aspekte sind dabei regelmäßiges Feedback, (gewünschte) Arbeit in Lerngruppen und eigenständige Lernplanung. Die Ideen dazu stammen ursprünglich von Vorgehensmodellen für Softwareentwicklungsprojekte.
Das Projektziel bestand in der Weiterentwicklung dieser Veranstaltungsform und das Anwenden auf unterschiedliche Fächer. Diese soll beobachtete Passivität vieler Studenten in diesen Lehrveranstaltungen vermindern und die Studenten in ein aktives Lernverhalten führen. Vorausgehende Erfahrungen mit dieser Veranstaltungsform waren durchmischt positiv. Wir wollten in diesem Projekt Erfolgsfaktoren identifizieren.
Dazu wurden an der Hochschule Heilbronn im Studiengang Wirtschaftsinformatik unterschiedliche Lehrveranstaltungen unter Einsatz dieses neuen Lernkonzept abgehalten. In den Fächern „Projektmanagement“, „Praxis betrieblicher Informationssysteme“, „Programmierung 1“ und „Statistik“ wurde Agiles Studieren eingesetzt. Dieses sind Veranstaltungen im 2. und 3. Semester.
Weiterhin war ein Projektziel die Entwicklung einer geeigneten Software, mit der grundlegende Organisations- und Kommunikationsabläufe individuell konfiguriert und automatisiert werden sollen.
Projektmaßnahmen
Die Maßnahmen orientieren sich an folgenden Fragestellungen:
- Wie können die bisherigen Inhalte kompetenzorientiert formuliert, verteilt, bearbeitet und begutachtet werden?
- Wie geben wir den Studenten Feedback?
- Wie führen wir diese neue Veranstaltungsform in die (lernende?) Organisation des Studiengangs ein?
- Wie können die Studenten schon im Laufe der Vorlesungszeit ihr Lernverhalten verbessern?
- Welche Prozesse müssen / sollten automatisiert werden, welche dürfen es nicht?
- Wie können wir Agiles Studieren bekannter machen und in andere Kontexte einbetten?
Die Studenten können schon nach der ersten Veranstaltung alle im Laufe des Semesters zu erledigenden Aufgaben einsehen. Nach einer Gruppenfindungphase kümmern sich die Studenten gemeinsam um die Bearbeitung der jeweiligen Themen.
Jede Woche findet ein Präsenztermin statt, in dem individuell auf Unklarheiten eingegangen werden kann. Ebenso gibt der Tutor alle zwei Wochen ein individuelles Feedback zu eingereichten Aufgabenlösungen. Das Feedback kann dabei positiv ausfallen, zur erneuten Bearbeitung auffordern, oder auch lediglich kleine vorhandene Ungenauigkeiten erwähnen. Wir haben teilweise mit studentischen Tutoren, teilweise übernahmen wir diese Aufgabe.
Die Lerngruppe sollte eine geeignete Aufgabenteilung zu organisieren, um sich dann evtl. gegenseitig die dazugehörigen Lösungen zu präsentieren. Wir als Veranstalter sehen uns in einer begleitende Rolle und mischen uns sich nicht direkt in den Lernverlauf der Studenten ein.
Parallel sollte eine im Vorfeld entwickelte Softwareteillösung weiter vervollständigt werden. Dazu waren stud. Hilfskräfte vorgesehen.
Wir haben Agiles Studieren auf dem Wissenstransfercamp 2014 und den Open Government Tagen der Landeshauptstadt München vorgestellt.
(Technischer Hinweis: die vormals angegebenen Links sind leider nicht mehr gültig.)
Projektergebnisse / Projekterfahrungen
Das Agile Studieren bietet sowohl Vorteile als auch Nachteile. Unterschiedliche Lerntypen ziehen ihren jeweiligen Vorteil aus der Lernveranstaltung und haben aufgrund der Gruppenbildung schnell die Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen. Außerdem kann Eigenverantwortung und Kommunikation gefördert werden.
Das Agile Studieren fördert heterogene Charakterausprägungen. Zum einen können geeignete Gruppenkonstellationen dazu führen, dass die eigenen individuellen Stärken der Teilnehmer zur Geltung kommen und Schwächen ausgeglichen werden. Zum anderen können die Studenten den Lernbeitrag anhand eigener Lernvorlieben erbringen. Außerdem ermöglicht das persönliche Feedback den Einblick in individuelle Fehler und das in Präsenzterminen stattfindende situative Coaching durch die Tutoren eine individuelle Problembewältigung.
Jedoch ist die Gruppenbildung auch als kritischer Faktor zu sehen. Eine Gruppenkonstellation mit mehreren Lern- oder Arbeitsverweigerern kann für die anderen lernwilligen Gruppenmitglieder zu ungeplanten Lernaufwänden führen. Weiterhin können Probleme in der Motivation auftreten, die sich besonders durch fehlende Anwesenheit in zeitlich sehr frühen oder sehr späten Präsenzterminen des Veranstalters erkennbar machen. Aufgrund der selbst zu strukturierenden Lernweise, können Studenten der Auffassung sein, Präsenztermine mit situativen Coaching durch den Tutor nicht nutzen zu müssen. Dies kann aus daraus folgender fehlerhaften Bearbeitung von Aufgaben, spätestens beim negativ ausfallenden Feedback, zu Rückschlägen führen.
Weiterhin ist nicht jedes Fach für das Agile Studieren geeignet. So scheinen Fächer wie Statistik oder Mathematik, wenn in Ihnen gemeinsames Lernen weniger gefordert werden, weniger geeignet.
Prinzipiell sind durch das Agile Studieren nachweislich bessere Ergebnisse erzielt worden als bei vorherigen Lehrveranstaltungen. Trotzdem herrscht bei den Studenten noch eine gespaltene Meinung über den Sinn und Nutzen des Agilen Studierens. Wir als Veranstalter sind mit den ersten Testläufen zufrieden. Für viele Studenten ist es noch ungewohnt, sich gegenseitig zu helfen und stets aktiv und selbstverantwortlich am Lernstoff teilzuhaben.
Die Weiterentwicklung der Software hat in der geplanten Konstellation nicht funktioniert. Grund hierfür scheint eine geringere als erwartete Qualifikation der stud. Hilfskräfte im Programmieren zu sein. Gegen Ende des Projekts wurden daher Oberflächenprototypen entwickelt, die z.B. von Projektstudien mit Teilnehmern höherer Semester bearbeitet werden.
Die Resonanz auf dem Wissenstransfercamp 2014 und den Open Government Tagen war sehr positiv. Elemente des Agilen Studierens können laut Einschätzung der anderen Teilnehmer auch gut in das betriebliche Weiterbildungswesen passen oder für eine sinnvolle Digitalisierung der Ausbildung genutzt werden. Im Unterschied zu MOOCs bleibt beim Agilen Studieren die Interaktion mit einem Lehrenden.
Zusätzliche Informationen / Nächste geplante Schritte
In Zukunft soll das Agile Studieren in weiteren Fächern eingesetzt werden und mit Hinblick auf die bisherigen Erfahrungen weiter verbessert werden. Über unsere Erfahrungen werden wir weiterhin auf der Projekthomepage https://www.agiles-studieren.de/ berichten.
Für die Studenten kann es sinnvoll sein, einen exemplarischen Leitfaden zu erstellen. In diesem soll der Ablauf einer Veranstaltung mithilfe des Agilen Studierens geschildert werden und die zugrunde liegende Erwartungshaltung an die Studenten näher erläutert.
Schulungsmaterialien für interessierte Veranstalter sollten erstellt werden, um zielgerechte Richtlinien weiterzugeben, anhand derer das Agile Studieren in einer Lehrveranstaltung angemessen eingesetzt werden kann.
Wer Interesse an der Veranstaltung einer Lehrveranstaltung unter dem Einsatz des Agilen Studierens hat, kann sich gerne an die Antragsteller wenden. Wir empfehlen dies für Fächer, bei denen gemeinsames Lernen allgemein von Vorteil sein kann. Außerdem sollte eine geeignete Softwarelösung vorhanden sein, durch die eine Zeiteinsparung in der Einsicht und Bewertung der eingereichten Aufgaben ermöglicht wird.