Retrospektive Sommersemester 2019

20190823181500 · Info · (post) · #bericht
Precursor: 20190218125000
By Detlef Stern

Nachdem die Ergebnisse der Klausur im letzten Semester nicht besonders gut waren (um es vorsichtig auszudrücken), war ich für dieses Semester zunächst etwas hoffnungsfroher:

Das entspricht einer Bestehensquote von etwas mehr als 50%, also vergleichbar zu früheren Semestern. Ist alles wieder gut?

Zum einen scheinen sich die Maßnahmen, die ich mir für dieses Semester vornahm, grob angemessen gewesen zu sein.

Statt einer Gruppeneinteilung nach dem Zufallsprinzip oder per Selbstfindung kam eine selbst erstellte Software zum Einsatz. Dazu gab jeder Teilnehmer bis zu zwei andere Teilnehmer als Präferenz für Gruppenmitglieder an. Die Präferenzen aller Teilnehmer können durchaus widersprüchlich sein (A möchte mit B und C zusammen in einer Gruppe sein, B und C aber wollen zusammen und mit D in einer Gruppe sein, nicht mit A). Die Software ermittelt dann diejenige Gruppeneinteilung, welche am wenigsten allen Präferenzen widerspricht.

Diese Art der Gruppeneinteilung hat soweit funktioniert, wenn als Maß die Anzahl der erfolgreich bearbeiteten Themen nimmt: je nach Gruppe wurde zwischen 54% und 94% der Themen erfolgreich bearbeitet. Dies übertrifft viele frühere Semester.

Vergleicht man die Klausurergebnisse mit der Gruppenleistung, so lässt sich eine positive Korrelation erkennen: in den vier Gruppen, die mehr als 75% der Themen erfolgreich bearbeiteten, hat mindestens die Hälfte der Gruppenmitglieder die Klausur bestanden. Dies war in den anderen vier Gruppen nur in einer Gruppe der Fall.

In obiger Graphik habe ich eine Gruppe nicht aufgeführt: die Gruppe der Teilnehmer, welche die Mitarbeit am Agilen Studieren eingestellt hatten. Diese Studenten wurden aus ihren ursprünglichen Gruppen in eine eigene Gruppe transferiert, wenn diese über 3-4 Wochen nicht mehr mitarbeiteten. Aus dieser Gruppe von insgesamt 12 Studenten nahmen 5 an der Klausur teil, 4 haben nicht bestanden.

Zusätzlich nahmen 3 Studenten an der Klausur teil, die in diesem Semester ohne das Agile Studieren lernten; alle mit Erfolg. Diese Studenten gehörten zu denen, die im letzten Semester die Klausur nicht bestanden hatten. Weitere 5 Studenten aus dem letzten Semester nahmen auch diesmal am agilen Studieren teil, 4 mit Erfolg.

Ist alles wieder gut?

Manche Aspekte aus dem letzten Semester haben sich dieses Semester wiederholt. Dies betrifft insbesondere die geringe Teilnahme am Präsenztermin. Waren in der ersten Woche zur Anmeldung 52 Studenten anwesend, so änderte sich das in den weiteren Wochen wesentlich: 38, 6, 7, 4, 15, 18, 18, 4, 13, 2. Lediglich zu einem Gastvortrag waren 42 Studenten anwesend, aber nicht mehr zum Präsenztermin danach (bei dem ich die Relevanz des Gastvortrags vertiefte).

Die Arbeit in den Gruppen war in einigen Gruppen sehr ungleich verteilt. Sprich: manche Studenten nutzten die soziale Hängematte. In einer Gruppe hatte ein einziger Student etwas die Hälfte aller Themen erfolgreich bearbeitet.

Und wenn ich die letzten Semester mit früheren Semestern verglich, so scheint die Bereitschaft (oder Fähigkeit) der Studenten zur inhaltlichen Auseinandersetzung mit Studieninhalten gesunken zu sein. Das muss ich in Zukunft weiter beobachten und validieren.

Fazit

Meine Software zur Gruppeneinteilung hat in dem Sinne funktioniert, dass sich die Ergebnisse dieses Semesters im Rahmen früherer Semester bewegen. Zusätzlich kam es, im Unterschied zu den früheren Semestern, nicht vor, dass Gruppen über die Leistungsfähigkeit einer einzelnen Gruppe frustriert waren. Immerhin 4 Gruppen haben ganz gut mitgearbeitet, mehr als in früheren Semestern. Keine Gruppe hat auf niedrigem Niveau das Arbeiten eingestellt, weniger als in früheren Semestern.

Diese Software kam auch in ganz anderen Lehrveranstaltungen zum Einsatz, jeweils mit Erfolg (aus Sicht der Dozenten). Wen die Software interessiert: der Quelltext ist unter https://github.com/t73fde/grpy abrufbar. Noch fehlt etwas Dokumentation, aber sie ist auch für andere prinzipiell einsetzbar.

Die Strategie, früh Nicht-Aktive aus den Gruppen zu entfernen, hat ebenso funktioniert. Wer wollte, konnte wieder in die bisherige Gruppe zurückkehren, vorausgesetzt die restliche Gruppe stimmte zu. Das hat der eine oder andere Student genutzt. Ich überlege noch, durch welche Maßnahmen ein Gruppen-Flow unterstützt werden könnte.

Was mir ein wenig Sorgen macht, ist die relative Sprachlosigkeit der Studenten. Mir ist noch nicht klar, woran das liegt. Natürlich kann ich selbst ein Grund sein. Andererseits erfahre ich von Kollegen ähnliches bei ihren Lehrveranstaltungen.

Dabei bietet Agiles Studieren so viel Raum für ein diskursives Lernen, viel mehr als eine (seminaristische) Vorlesung. Das Angebot muss nur genutzt werden.